Gelesen: Propaganda, von Edward Bernays
So ähnlich wie man Kropotkin gelesen haben muss, um Anarchie zu verstehen, muss man Barnays gelesen haben, um Propaganda zu verstehen.
So heißt es.
Aber ich muss gestehen, dass mich das eine wie das andere Buch etwas ratlos zurücklässt ob des Mangels an Erleuchtung durch die Lektüre.
Bernays mag der Guru der Propaganda sein, aber er ist nicht der Dunkle Lord, als der er in etlichen Kommentaren porträtiert wird.
Falls er es doch ist, hat er es in seinem Buch gut verborgen.
Bernays schreibt davon, dass die Propaganda als Begriff positiv besetzt sein solle, da sie der Wahrheit zum Durchbruch verhelfe.
Es bringe nichts, an die Vernunft der Menschen zu appellieren, der Weg zur Anleitung der Massen ist das Erzeugen von Emotionen.
Diese Erkenntnis dürfte niemanden überraschen, der nicht völlig ohne Selbstreflexion seine Bresche durch den modernen Mediendschungel schlägt.
Aber Bernays drückt seine Überzeugung aus, dass sich mittels Propaganda die Wahrheit immer durchsetzen werde.
Das Buch ist vor mehr als 100 Jahren verfasst worden, die PR Branche jung — überhaupt erst durch den Autor geprägt.
Nun kann man sagen, der Autor wäre naiv, oder der Begriff stand zu dieser Zeit einfach erst am Beginn des Bedeutungswandels, dem man mit dem „Propagandaministerium“ des Dritten Reiches als abgeschlossen betrachten kann.
Jedenfalls, ich konnte im Buch kaum etwas vom unmittelbaren und unverhüllten Willen zur Macht als Selbstzweck erkennen, den Prof. Dr. Klaus Kocks in seinem als informativer Abriss zum Begriff „Propaganda“ geschriebenen Vorwort durch den Vergleich mit Niccolò Machiavelli suggeriert.
Die Politik könnte logischerweise viel an Ansehen gewinnen, wenn ihre Finanzierungskampagnen offen und transparent geführt würden, wie es zum Beispiel bei den Werbekampagnen für die Kriegsanleihen der Fall war. Auch Wohltätigkeitsveranstaltungen sind ausgezeichnete Vorbilder dafür. Es wäre gut für den Ruf der gesamten politischen Kaste Amerikas, wenn man die schwarzen Kassen eliminieren würde. Das öffentliche Interesse an Politik wäre unendlich viel größer, wenn die wirkliche Teilhabe an der politischen Meinungsbildung früher und konstruktiver, schon im Rahmen der Kampagne, bekannt gemacht würde. (S. 88)
So schreibt Bernys im Kapitel „Propaganda und politische Führung.“
Sehr unmachiavellisch.
Die Aufgabe des Politikers scheint ihm dann dennoch als Philosophenherrschaft vorzuschweben:
Heute besteht die Herausforderung für einen Staatsmann nicht so sehr darin, die Wähler zufrieden zu stellen, sondern sie in seinem Sinne umzustimmen. Dieser erzieherische Prozess … (S. 92)
Eine sehr weitsichtige Aussage, betrachtet man die heutige Mediokratie und den offensichtlichen Erziehungsauftrag, den der Staat heute seinen Leitmedien mitgibt, und diesen Auftrag unverhohlen vor den Journalismus selbst stellt. Wer der wahre Politiker ist, der im Hintergrund die Fäden zieht, ist schon einerlei, solange die „Show“ gut gelungen ist:
Vor kurzem sprach ich mit […] dem Chef der demokratischen Parteizentrale in New York. Er erzählte, dass gerade einige Princeton-Absolventen ihre Karriere begännen. An seiner Stelle hätte ich die klügsten der jungen Männer zu einer Theaterproduktion am Broadway geschickt oder sie als Praktikanten bei einem professionellen Propagandisten untergebracht, bevor ich sie für die Arbeit in der Demokratischen Partei engagiert hätte. (S. 92)
Hier sind wir wohl angekommen.
Das Buch beschreibt die Methoden der Propaganda nicht sehr tief, Bernays gibt Muster vor, wie sie einzusetzen sei in Politik, Wirtschaft, Bildung, Frauenbewegung, Sozialwesen, Kunst und Wissenschaft. Schließlich war es sein Geschäft, und von diesem lebte er gut, wenn man ihm auch zugestehen muss, dass er sich persönlich möglichst integer verhielt; so wie er beispielsweise keine PR-Arbeit mehr für die Tabakindustrie übernahm, sobald er sich über die Gesundheitsschädigung des Rauchens informiert hatte – wie Mark Crispin Miller in seinem ausführlichen Nachwort (2004) schreibt.
1 Edward Bernays
2 Propaganda – Die Kunst der Public Relations
3 Aus dem Amerikanischen von Patrick Schnur
4 2022, orange-press
5 ISBN 987-3-936086-35-5