Fertig gelesen: Weniger Staat. Gegen die Übergriffe der Obrigkeit.
Es passiert nicht oft, dass ein einzelnes Buch oder ein einzelner Mensch mich dazu bringt, wirklich Grundsätzliches in meiner politischen Einstellung zu ändern.
Ich kannte Leopold Kohr bis Mitte 2011 noch gar nicht, per Zufall sah ich dann auf 3SAT die Dokumentation über sein Leben, die mich zu intensivem Nachdenken brachte. War ich bisher der Meinung, die politischen Strukturen müssen den wirtschaftlichen folgen, habe ich im letzten Jahr meine Meinung dazu sehr stark geändert: Auch wenn die Wirtschaft immer mehr zur Oligpol- oder gar Monopolbildung neigt, bringt ein paralleles Hochrüsten der politischen Organisationen nicht den benötigten Ausgleich. Wenn immer mehr Verantwortung durch wenige zu tragen ist, können die Auswirkungen von Entscheidungen immer weniger verstanden werden, auch wenn ich nur beste Absichten unterstelle. Von der Korruptionsanfälligkeit ganz zu schweigen.
War für mich die EU bis vor kurzem das Allheilmittel, um durch Demokratie auf europäischer Ebene (die lange noch nicht gegeben ist) den Menschen wieder politische Selbstbestimmung zu geben, so sehe ich das jetzt anders, kritischer, differenzierter. Die Europäische Union ist wichtig, als politisches Instrument der Bürger und als Ausgleich und zur Moderation von regionalen Interessenskonflikten. Aber als zentrale Schalt- und Verteilungsstelle großer Teile der europäischen Ressourcen ist sie untauglich, weil zu groß und unübersichtlich. Schon jetzt, wo nur ein kleiner aber wachsender Teil der Mittel (Geld) von den Stellen der EU ausgegeben wird, zeigt sich die Problematik. Die Menschen verstehen nicht mehr die Interessen und die Strategie dahinter. Die Landwirtschaftsförderung der EU ist als ihr größter Teil ein Desaster, die EU macht hier nichts besser als es kleinere Strukturen könnten, aber vieles schlechter.
Ich bin für eine starke politische Europäische Union, entkoppelt von ihren allzumächtigen Nationalstaaten, die viele Regeln (zu Steuern, Verkehr, freier Warenverkehr u.s.w.) in ihrem Parlament (oder Parlamenten?) bestimmen können soll. Aber gleichzeitig für eine wirtschaftlich schwache EU, die nicht die Chance haben soll, durch einen kleine Unterschrift das Millionenfache eines Haushaltseinkommens zu verschieben.
Am anderen Ende der Politik sah ich bis vor kurzem die Gemeinden als Übel an: Misswirtschaft, kleingeistige Mauscheleien, egomanische Bauten von Dorfkaisern. Meine Meinung über die Ursache dieser Misstände ist jetzt die: Das Problem ist, dass die Ressourcen (das Geld) zentral eingesammelt und dann erst verteilt werden. Dadurch verlieren die Bürger den Kontakt zu ihren Beiträgen. Es wird oft unterschätzt wieviel Geld in die Kommunen, auch die kleinen, fließt. Wenn die Beiträge des Einzelnen wieder nachvollziehbar zu Ergebnissen führen, dann steigt auch dessen Interesse und die wichtige Identifikation mit den politischen Strukturen.
Es wird nicht das letzte Buch sein, das ich von Leopold Kohr lese.
Gebundene Ausgabe: 183 Seiten
Verlag: Müller (Otto), Salzburg; Auflage: 1., Aufl. (21. September 2004)
ISBN-10: 3701310890
ISBN-13: 978-3701310890