Gelesen: Amerika, von Franz Kafka

Mein viertes Buch von Frank Kafka, nach "Der Prozess", "Die Verwandlung" und "Das Schloss". Es ist vom Aufbau und seiner Grundstimmung etwas anders als das was ich von Kafka bisher kannte. Der Roman erzählt einen Ausschnitt im Leben des 16-jährigen Karl Roßmann am Beginn des zwangisten Jahrhunderts; aus seiner Heimat Kakanien nach Amerika verstoßen beginnt dort ein neues Leben, ein Auf und Ab, für Kafka wenig überraschend mehr letzteres als ersteres.
Trotzdem sind die Schicksalsschläge und himmelschreienden Ungerechtigkeiten gegen den Protagonisten nicht von gesichtslosen scheinbar allmächtigen Macht geführt sondern von sehr realen und menschlichen Repräsentanten. Wie in den anderen Büchern ist auch in Amerika kein Rechtsmittel gegen unfaire Behandlung möglich, wie im Schloss gibt es auch hier ein Duo Fatale, wie im Prozess ist die Staatsmacht Feind statt Freund und Helfer, und wie in der Verwandlung ist die eigene Verwandtschaft trostlose bis feindselige Staffage.

Aber Karl Roßmann ist nicht festgenagelt an einen Ort, er durchstreift das Land wie in einem Schelmenroman und kann sich zumindest zeitweise aus seinen inneren wie äußeren Gefängnissen lösen. Und doch wird der Raum immer enger für ihn, je mehr er sich in Amerika bewegt.
Im letzten Kapitel sieht es nach der großen Erlösung aus: Das Theater von Oklahoma nimmt Karl auf — aber wo ist er da hineingeraten? Am Ort der Rekrutierung wird er mit schallenden Trompeten empfangen, er wird – noch einmal – begutachtet und eingeteilt, noch einmal gut bewirtet und dann im Laufschritt auf eine mehrtägige Bahnreise geschickt.

Das Plakat zur Anwerbung hatte folgenden Text:

Auf dem Rennplatz in Clayton wird heute von sechs Uhr früh bis Mitternacht Personal für das Theater in Oklahoma aufgenommen! Das große Theater von Oklahoma ruft euch! Es ruft nur heute, nur einmal! Wer jetzt die Gelegenheit versäumt, versäumt sie für immer! Wer an seine Zukunft denkt, gehört zu uns! Jeder ist willkommen! Wer Künstler werden will, melde sich! Wir sind das Theater, das jeden brauchen kann, jeden an seinem Ort! Wer sich für uns entschieden hat, den beglückwünschen wir gleich hier! Aber beeilt euch, damit ihr bis Mitternacht vorgelassen werdet! Um zwölf Uhr wird alles geschlossen und nicht mehr geöffnet! Verflucht sei, wer uns nicht glaubt! Auf nach Clayton!

Wenn das nicht nach Uncle Sam klingt…

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