Gelesen: Das Schloss, von Franz Kafka

Und wieder schickt Franz Kafka den armen Kerl K. in einen aussichtslosen Kampf gegen eine völlig unzugängliche und unbegreifliche Macht. War es in "Der Prozess" ein Netzwerk von Dachböden, Winkeladvokaten und Richtern das dieser Parallelwelt ein gewisses Gesicht gab, so gibt es in "Das Schloss" nun überhaupt keine Anhaltspunkte, keine Gewissheit mehr. Weder die Motive des Hauptdarstellers noch des von ihm bekämpften Systems sind durchschaubar, das Schloss als Vertreter der Macht ist eine Trutzburg wider jegliches empathisches Verständnis.

Zur Handlung gibt es nicht viel zu berichten: Protagonist K. kommt während einer verschneiten Nacht in dem vom Schloss beherrschten Dorf an. Er gibt sich als bestellter Landvermesser aus, aber auch der Wahrheitsgehalt dieser Information bleibt im Dunkeln - ist K. tatsächlich bestellt worden oder ist es nur eine Strategie sich in das Dorf einzuschleichen?

Jedenfalls entbrennt ein kalter Krieg zwischen K. und dem Beamtenapparat um Anerkennung und Aufmerksamkeit. K. versucht sich dabei in höhere Beamtenschichten vorzukämpfen, ist dabei aber nur ein Sisyphus in der Teergrube. Das Schloss, das als quasireligiöse Instanz das Dorf mitsamt aller seiner Einwohner im Denken beherrscht und sich nicht erklären muss, gibt ihm verschiedenste Signale, die einander widersprechen — im Guten wenig hilfreich, im Schlechten irreführend. Die Dorfbewohner, im Gegensatz zur Schlossgruppe geben hier Frauen den Ton an, sind ihm gegenüber argwöhnisch bis feindlich.

Während ich beim Lesen des Prozesses noch Lächeln konnte über die Absurdidät der Szenerie, so gibt es beim Schloss nichts mehr zu Lachen. Auch wenn die uns Österreichern bekannte Beamtenobrigkeit – der jedenfalls zurück geht bis in Kafkas Zeit – zugespitzt dargestellt wird, so ist das erzeugte Gefühl bei mir doch zu real um nicht mit K. fühlen zu können. Im Vergleich ging es mir ähnlich beim Lesen von Orwells "1984" (→"Der Prozess"), das ich als Zukunftsvision ebenfalls skurril bösartig empfand, bei Huxleys "Brave New World" (→"Das Schloss") war der Horror zu vertraut um sich davon völlig distanzieren zu können.

Und ähnlich ging es mir beim Schloss. An zu viel in unserer Welt erinnerten mich die Darstellung des Schlosses: Compliance, Patente, Finanzkrise, Sachzwänge und Symbolische Akte der Politik. Alles Dinge, die sich meinem Verständnis entziehen und die trotzdem mein Leben mitbestimmen.

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