Gelesen: Ein Kirgisischer Western, von Erwin Einzinger
Das Deutsche Auswärtige Amt schreibt folgendes zum Reisen in Kirgisistan:
Von Überlandfahrten bei Nacht wird abgeraten, da sie wegen teilweise sehr schlechter Straßen, Erdrutschen, dem häufig unsicheren technischen Zustand der am Verkehr teilnehmenden Fahrzeuge und dem wechselhaften Klima (Kälteeinbrüche) schwierig und gefährlich sind. Die schlechten Straßenverhältnisse landesweit und die von westeuropäischen Verkehrsgewohnheiten abweichende Fahrweise bedeuten eine generell erhöhte Unfallgefahr im Straßenverkehr.
Es gibt so einige gebundene Werke, die von ihren Autoren “Handbuch des nutzlosen Wissens”, oder ähnlich, getauft wurden. Aber das ist meistens nur kokett. Wer wirklich wissen will was man nicht zu wissen braucht, aber trotzdem oder gerade deswegen wissen mag, liest dieses Buch. Der Roman “Aus der Geschichte der Unterhaltungsmusik” von Herrn Einzinger besteht noch hauptsächlich aus Informationsfitzelchen die von allgemeinen Interesse oder zumindest Unterhaltungswert sind, jedenfalls recherchierbar; überwiegt auf dem Weg von Bad Schallerbach nach Dschalallabad schon das profane, in Kirgisien findet dieser Stil seinen Höhepunkt: Das Buch besteht aus einer großen Zahl an Anekdoten, Sachverhaltsdarstellungen und Kürzestgeschichten. Diese werden in anscheinend beliebiger Reihenfolge erzählt und sind in einem sehr sehr losen Netz von Verbindungen verknüpft — auch das eine Zuspitzung des Stils der Vorgängerromane. Diese Verbindungen sind von einprägend (ein Goldwäscherkurs, ein Herr Elli, auch die Musik spielt wieder eine Rolle) bis subtil (diverse Verwandtschaftsverhältnisse die von beiden Richtungen beleuchtet werden) geflochten. Bei letzteren fühlt sich das ganze Hirn des Bewusstseins beim Lesen an wie eine einsame Nervenzelle, die verzweifelt ein Axon wachsen lässt und nie weiß, ob es denn einmal ein Dendrit finden wird. Besonders intensiv, wenn der Autor das auch noch explizit macht. Davon wird noch zu berichten sein... oder auch nicht, wer weiß das schon.
Liebgewonnen Figuren tauchen wieder auf, Klopapier, Fußmärsche, Wörter aus der Heimat. Aber die Sprache entwickelt sich weiter, es wird des öfteren gepisst anstatt gewischelt.
Woher kommen diese Informationen in den Kapitelchen? Sind sie real oder eine Fiktion? Da sie das Geschick der Welt höchstens chaostheoretisch beeinflussen können, mag das nicht wichtig sein, aber interessant wäre es schon. Und tatsächlich, als ich dann beim Lesen des Buches kurz aufblickte in das Antlitz einer Art Tageszeitung mit dem Namen unseres Staatsgebildes, konnte ich folgende Kopfzeile lesen: “Neusiedlersee: Taxler tot -- Surf-Fan festgenommen.” Tragisch, sicher, aber dargebracht in einer Qualität, die eigentlich nur erfunden sein könnte. Dieses Buch macht wirklich Aufmerksam.
Das Buch, ein Roman ist es, steht auf der Homepage. Der lesende Laie stellt sich naiv was anderes darunter vor, und gerade deshalb schlug ich im populären Nachschlagewerk nach, was denn ein Roman denn nun sei:
Der Roman ist ein literarisches Genre, und zwar die Langform der schriftlichen Erzählung. Das Wort Roman ist ein Lehnwort aus dem Französischen und bedeutet „Erzählung in Versen oder Prosa“.
Also wirklich, eine Erzählung in Versen oder Prosa, das passt perfekt. Vielleicht habe ich das schon in der Schule gelernt und nur wieder vergessen. Jedenfalls, ich habe niemals ein Buch gelesen, dass so nahe an einem Etikett »Gedichtband« torkelt und dabei doch kein Gedichtband ist. Eine Konzeptalbum eines Gedichtbandes vielleicht.
Es sind keineswegs einzelne Schicksalsschläge, die wie Windstöße in ein Lebensgebilde hineinfahren, sondern es ist meist ein zäher Brei, der an fast allem kleben bleibt, was damit in Berührung kommt. Vergletscherte Zonen der Tageswelt. Sehnsuchtskorridore, von Tränen durchnäßt, bis in die Nächte hinein, so würde es wahrscheinlich eine Dichterin ausdrücken, wenn man sie darum bitten würde. (S. 413)
Vielleicht auch ein Dichter. Warum auch nicht. (S. 414)