Gelesen: Steve Jobs, von Walter Isaacson
Steve Jobs hat früh gelernt, dass Menschen Bücher nach deren Einbänden beurteilen, schreibt Walter Isaacson. Dieses Buch ist schön.
Die Beschäftigung mit dem Charakter von Steve Jobs ist für mich sehr interessant. Seine Fähigkeit, eine Führungsposition zu erreichen – in den Gebieten in denen er dies anstrebte – ist wohl legendär. Viele Menschen sind darüberhinaus der Ansicht, dass dieser Mann die Welt verändert hat. So auch der Autor, ein Beispiel mit einem Zitat von Steve Jobs:
»Ich glaube, ich wäre nach New York gegangen, wenn ich mir das College gespart hätte«, erinnerte er sich und sinnierte darüber, wie anders sein Leben – und vielleicht das von uns allen – verlaufen wäre, wenn er diesen Weg eingeschlagen hätte. (S. 55)
Dennoch, Walter Isaacson schreibt in dieser Biographie meist sehr objektiv und spart auch die wenig angenehmen Seiten von Jobs nicht aus, an Stellen wie dieser merkt man aber die sehr starke Bewunderung für dessen Leistung.
Ich selbst bin mir nicht sicher, wie weit Steve Jobs und Apple das Leben der Menschheit tatsächlich beeinflusst haben — über den Einfluss hinaus, den jeder Mensch durch den Schmetterlingseffekt der Chaostheorie auf alle anderen hat. Steve Jobs war Visionär und Täter in meiner Branche, das ist unbestreitbar. Dabei hat er vieles vorweggenommen, aber nichts war grundlegend neu und von revolutionärer Art; unser Leben würde ohne Steve Jobs nicht viel anders aussehen. Aber viel würden sagen, etwas weniger schön. Und hätten vielleicht sogar ein wenig recht.
Ein Frage stellen sich viele, die sich mit ihm beschäftigen: War er erfolgreich wegen seiner charakterlichen Defizite, trotzdem oder hatte das eine mit dem anderen nichts zu tun? Das Buch gibt darauf auch keine eindeutige Antwort. Obwohl Isaacson einige male seine Meinung wiedergibt, dass Steve Jobs seine Frechheiten eher im Weg standen als halfen, so meint er andererseits auch, dass nur das seinen Fokus auf das Wesentliche ermöglicht.
Der ambivalente Umgang von Steve Jobs mit Mitmenschen zieht sich durch die gesamte Biographie, beginnend mit Erpressung seiner Adoptiveltern, die er respektierte und liebte, über die große Anzahl von Menschen die er benutzte, um seine Ziele zu erreichen, bis zu seinen eigenen Kindern. Der Autor bemüht sich dabei immer um eine ausgewogene Sicht, sowohl im ersten eher chronologischen Teil des Buches, als auch im zweiten themenorientierten Abschnitt, der etwas vor der Rückkehr des strahlenden Ritters zu Apple beginnt.
Manchmal hatte ich den Eindruck, dass auch Isaacson, obwohl vorgewarnt und vorbereitet, dem berühmten reality-distortion-field des Steve Jobs nicht entrinnen konnte und wollte. Dies gipfelt für mich in diesem entwaffnend schonungslosen, politischen Zitat des Biographen:
Manchmal kann es schön sein, sich in die Hände eines Kontrollfreaks zu begeben. (S. 657)
Über Steve Jobs kann man seitenweise schreiben, aber er ein Genie war, oder nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort, ob Woz eigentlich der Ruhm gebührt, ob er ein weiser oder irrer Diktator war. Diese Biographie erhellt dabei vieles ohne subjektive Schlüsse zu ziehen. Und wenn man die Branche kennt und mag, und sich vielleicht sogar schon ein wenig mit der Geschichte des Silikontals beschäftigt hat, ist das Buch nicht nur interessant sonder auch ein Spaß beim Lesen. Mich machte es auch ein wenig melancholisch, weil ich diese Aufbruchzeit ein klein wenig miterlebt habe.
Eines ist mir beim Lesen wieder (einmal) klar geworden: Für einen mutig agierenden Steve Jobs, der tatsächlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, gibt es vermutlich tausende Jobsalikes, die mit der gleichen persönlichen Ausstattung mutig gegen eine Wand gelaufen sind.
P.S.: Es wurde einiges negatives geschrieben über die deutsche Übersetzung dieses Buches, die ich auch gelesen habe. Bei einer Biographie sollte die Sprache keine allzu große Rolle spielen, und der Lesefluss war auch recht gut. Trotzdem sind die Patzer in der Übersetzung (am berüchtigsten wohl die Übersetzung von "silicon" in "Silikon") schon augenbrauenhebend. C.Bertelsmann hätte Übersetzer mit Kenntnissen aus Branche beauftragen sollen. Ich persönlich fand dies nicht des Ärgers wert, Steve Jobs hätte es aber wohl als "Mist" und "unlesbar" bezeichnet. Schon Schade.