Gelesen: Vietnam mon amour, von Ernst Frey

BuchumschlagBiographien vermitteln eine besondere Spannung beim Lesen — ausdenken kann man sich so einiges (als ob das so einfach wäre…), aber ein Leben zu leben, das Leser bei jeder Lesepause ein wenig traurig macht, das ist etwas besonderes. Oft handelt es sich bei den erfolgreichen Werken des Genre um schillernde Prominente. Die Biographien von John D. Rockefeller oder Steve Jobs sind dicke Bücher mit interessanten Geschichten. Aber manchmal findet man die Geschichten von Menschen, die kaum jemand kennt und nichtsdestotrotz und zum Glück für mich aufgeschrieben wurden. Und trotz der Unbekanntheit dieser Menschen fesselt die dazugehörende Geschichte mehr als die der Celebrities.

»Vietnam, mon amour« ist das auf erstaunlich wenigen Seiten (das Originalmanuskript der Autobiographie hatte laut Herausgeberin 1.200 eng beschriebene Seiten) gedruckte Leben von Ernst Frey, ein atheistischer Jude, aufgewachsen im Wien der Dreißigerjahre. Als Antwort auf die Schrecken von Austro– und später des Nazifaschismus wurde er begeisterter Kommunist. 1938 floh er aus Österreich, das bald darauf aufhörte zu existieren; über die Schweiz gelangte er nach Paris. Auch damals verursachten die Flüchtlingsströme Spannungen, das Willkommen war weniger herzlich als gehofft.
Dieses Unwillkommensein könnte ein Grund für seine nächste Station gewesen zu sein: Die Französische Fremdenlegion. Kämpfen wollte er gegen Nazideutschland und den Faschismus, zuerst kam eine Ausbildung in Nordafrika, dann die Ernüchterung, dass die Fremdenlegion unter der Fuchtel des Régime de Vichy steht, das mit den Nazis zusammenarbeitete.

Frey meldete sich als Freiwilliger nach Indochina, und fand dort eine neue Bestimmung. Der dortige Kampf sowohl gegen die japanische Unterdrückung als auch gegen europäischen Kolonialismus wurde von der Kommunistischen Partei Indochinas gestaltet, die einen Hauptbestandteil des Vieth Minh ausmachte, unter dem Vorsitz des damals schon legendären Ho Chi Minh. Ernst Frey desertierte aus der Legon, schlug eine Laufbahn in der Armee Vietnams ein, wurde Freund des respektierten sowie gefürchteten General Giap.

Aber bei aller Begeisterung für den Kommunismus hat er die Ideologie nie über die Vernunft gestellt. So kam es zum Bruch zwischen ihm und der Partei, als diese eine irrationale und von Verfolgungswahn getriebene Säuberungsaktion durchführte. Er sah die durch Menschen verursachten Schwächen im realen existierenden Sozialismus und wandte sich ab, enttäuscht von der kommunistischen Revolution in Vietnam, und noch mehr in der Sovietunion.

Das Buch endet mit der Rückkehr von Ernst Frey 1951 nach Österreich. Eine bewegende Entscheidung, bedenkt man, dass seine Eltern von den Nazis ermordet wurden. Im Nachwort erfährt man schließlich, dass er in einem Aussöhnungsbrief an Giap schrieb, Vietnam sei seine große Liebe.
Ich war nur zwei Wochen in diesem Land, noch dazu lediglich als Tourist, aber einen kleinen Eindruck davon habe ich bekommen. Ich hoffe mehr Leute erfahren vom Leben des Ernst Frey.


ISBN: 978-3-7076-0439-9
Seiten: 256
Ausstattung: Hardcover
Format: 13,5 x 21 cm

http://www.czernin-verlag.com/buch/vietnam-mon-amour

Artikel im Profil: Der ­Umgekehrte: das unglaubliche Leben des ­Wiener ­Juden Ernst Frey

► Michael Pand beschäftigte sich intensiv mit der Biographie von Ernst Frey (und Georg Wächter): http://members.aon.at/mgspand1/Frey.htm
 

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