Gerechtigkeit und der Staat als Instanz des finanziellen Zwangsausgleichs
Die wirksame Wirtschaftsleistung, das heißt, der zu verteilende Kuchen, wird nicht mehr größer. Gleichzeitig wird die Verteilung des Vermögens in Österreich, und anderswo, immer ungleicher. Das ist die Aussage einer Studie der Österreichischen Nationalbank; Artikel in der Wiener Zeitung online und auf derstandard.at
Da die Mehrheit natürlich finanziell auf der Verliererseite steht, kommt es zu einem Diskurs wie mit der simplen Tatsache umgegangen werden soll. Bei dieser Diskussion prallen meist zwei konträre moralische Welten aufeinander:
- Das private Eigentum ist selbst verdient, die Abgabe von Steuern ist zwar gerechtfertigt, aber alles was über einen gleichen, durchschnittlichen Anteil für alle hinausgeht, ist eine Umverteilung, die moralisch auf den guten Willen der Wohlhabenden und Reichen angewiesen ist.
- Ein progressiver Steuersatz, beispielsweise auch weit über 50% hinaus, ist moralisch gerechtfertigt. Die Reicheren sind verpflichtet, von ihrem Reichtum abzugeben, und zwar anteilsmäßig je mehr, je mehr sie verdienen bzw. besitzen.
Bei moralischen Maßstäben ist eine objektive Argumentation naturgemäß sehr schwierig, denn Moral ist ein gesellschaftlicher Konsens und kein Naturgesetz. Leider sind die Vertreter moralischer Prinzipien selten zu Kompromissen bereit. Sie fühlen sich im Recht, dass entweder der angehäufte Reichtum erarbeitet ist und jegliche Abgabe davon ein Akt von Altruismus ist, oder dass auf der anderen Seite jegliches Einkommen über einer festzulegenden Grenze unmoralisch ist und deshalb von der Gesellschaft eingezogen werden darf.
Ich tendiere zu zweiterem moralischen Prinzip, mit einer Warnung vor Schwarzweißmalerei.
Begründung: Wie kommt es zu einer so starken Konzentration von Kapital in unserer Zeit? Es ist der stabile Rechtsstaat, in dem die Wirtschaft durch Skalen- und Verbundeffekte zu immer größeren Strukturen führt. Oder anders formuliert: Große Fische schlucken kleine Fische. Ein stabiler Rechtsstaat ist nun aber tatsächlich keine Leistung einzelner, sondern eine die von der gesamten Bevölkerung getragen wird. Wenn immer weniger immer mehr besitzen, ist dann eine Folge daraus, dass der Faktor Glück zu Wohlstand und Reichtum immer mehr beiträgt. Ein immer wichtigerer Grund für Reichtum ist beispielsweise Erbe; die Besitzenden können ihre Ressourcen halten, und mit der Vernetzung in ihrer gesellschaftlichen Umgebung oft noch vermehren.
Wo würde dieser Prozess enden? Es wäre wohl ein Feudalstaat, in dem lediglich die Geburt über Reichtum oder Armut entscheidet.
Das kann nicht das Ziel für unsere Gesellschaft sein. Der Staat hat deshalb meiner Ansicht nach das moralische Recht sich gegen diese Tendenz mit hohen Steuern zu wehren. Auf der anderen Seite sind aber keinesfalls Häme und Arroganz angebracht. Noch ist es durchaus so, dass auch Leistung zum Wohlstand beiträgt; und im Rechtsstaat ist es auch so, dass die Masse ihr Geld freiwillig zu den Reichen trägt — zumindest hoffe ich, dass es so ist. Mir wäre jedenfalls nicht bekannt, dass die Gebrüder Albrecht durch Nötigung oder Beugung des Rechtssystems zu den reichsten Deutschen geworden sind.
Wie weiter? In einer Demokratie wäre ein Mehrheitsentscheid bindend, rechtsstaatliche, verfasste Grundsätze müssen dabei eingehalten werden. Dass es zu tatsächlicher Enteignung von Reichen kommt ist unwahrscheinlich, dazu haben (noch) zu viele in unserer Gesellschaft etwas zu verlieren. Aber es ein schmaler Grad der sozialen Gerechtigkeit und Chancengleichheit, zwischen Geldadel und Staatswillkür.