Geschlechtsausgleichende Regelungen beim Aufnahmetest für das Medizinstudium

Am 6. Juli stellten sich 4.370 Bewerberinnen und Bewerber dem Aufnahmetest zum Medizinstudium in Wien. 555 davon werden nun zugelassen, davon 55,3% Frauen und 44,7% Männer. Dass das ziemlich genau dem Geschlechterverhältnis der Anmeldungen entspricht ist kein Zufall: Der Test wurde für die Geschlechter getrennt ausgewertet und die Plätze paritätisch vergeben. Die Medizinische Universität Wien gab keine konkreten Zahlen zu den Prüfungsergebnissen bekannt, bei Annahme ähnlicher Werte wie in Innsbruck würde die Diskrepanz bei ca. 100 Männern liegen, die trotz besser Ergebnisse als die 100 schlechtesten Frauen keinen Studienplaz bekommen haben.

In vielen Artikeln wird nun die Schule als Schuldige an den ungleichen Testergebnissen von Frauen und Männern in Österreich identifiziert. Heute war auf derstandard.at dazu folgendes zu lesen:

In einer Studie zur Evaluation des EMS stellte Bildungspsychologin Spiel 2008 gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern fest, dass Burschen in den Schulen in Mathematik und Naturwissenschaften von den Lehrern meist stärker gefördert werden als Mädchen. Die Folge seien eine geringere Motivation der Mädchen in diesen Bereichen und ein sinkendes Vertrauen in ihre Fähigkeiten. "Es muss sich daher in den Schulen etwas verändern", sagt Spiel.

Es sind ein paar Jahre - Jahrzehnte - seit meinem Gymnasiumsbesuch vergangen, aber bereits damals gab viel Aufmerksamkeit für Mädchen in den Naturwissenschaftlichen Fächern: Mädchentag im Biologiesaal, die vorderen Reihen bei Experimenten im Chemiesaal für Mädchen reserviert, getrennter Informatikunterricht - weil die Buben die Mädchen ja sonst unterdrücken.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich dies inzwischen geändert hätte, eher im Gegenteil. Es gibt Girl's Days, FIT und viele andere ähnliche Aktionen.

Eine kurze Recherche mit Google Search im Webauftritt des Bundesminsterium für Unterricht, Kunst und Kultur liefert folgende Ergebnisse für die jeweiligen Suchbegriffe:

site:http://www.bmukk.gv.at/ mädchenUngefähr 1.180 Ergebnisse
site:http://www.bmukk.gv.at/ girlsUngefähr 400 Ergebnisse
site:http://www.bmukk.gv.at/ (jungs OR burschen OR buben)Ungefähr 601 Ergebnisse
site:http://www.bmukk.gv.at/ boysUngefähr 124 Ergebnisse


Die Treffer mit der seiteneigenen Suchmaschine sind deutlich weniger, aber in einem ähnlichen Verhältnis: Referenzen zum Thema Mädchen sind zwei- bis dreimal mehr als zum Thema Buben, wobei Artikel "exklusiv" über Buben betreffen nach einigen Stichproben immer auf deren negative Eigenschaften hinweisen. Das entspricht auch meiner Wahrnehmung in den Medien.

Meine ernstgemeinte Frage: Was sollte die Schule nun tatsächlich machen um die Situation zu verbessern und Mädchen mehr für Technik und NaWi (nicht nur Bio) zu interessieren? Liegt es tatsächlich an zu wenig Förderung?
Oder ist es nicht doch ein gesellschaftliches Problem, müsste man nicht im Elternhaus ansetzen und ist nicht die Schule ihre Möglichkeiten dahingehend zu einem großen Teil bereits ausgereizt?

Am Symptom bei jungen Erwachsen herumzudoktern und Ungerechtigkeit bei einem Eignungstest für ein Studium (wie man zu Eingangstests selbst steht ist eine andere Geschichte) rückwärtsgewandte Scheingerechtigkeit zu schaffen — das kann und darf es nicht sein.

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