Gesellschaftliche Männerschändung
Die FAZ veröffentlichte Mitte August einen Artikel ("Der Mann als Gefahrgut", 16.8.2012) über eine Richtlinien von australischen Fluggesellschaften, die besagen, dass alleinreisende Kinder nicht neben Männern sitzen dürfen. Den Grund dafür kann sich jeder denken, der sensibel ist für Stimmungen in Medien und Gesellschaft. Traurig stimmt mich dabei nicht nur, als Mann per Geburt als Gefahr für die Gesellschaft zu gelten, auch der Umgang der Gesellschaft damit: Im FAZ-Artikel wird der Passagier Daniel McCluskie zitiert, dass der Frau, mit der er Platz tauschen musste, explizit gedankt wurde, während er sich mit einer Stigmatisierung als Kinderschänder anstarrenden Blicken ausgesetzt fühlte.
Schon als Jugendlicher, bei der Beobachtung der Unterschiede der Geschlechter, drängte sich mir der Eindruck auf, dass Männer in fast allen Dingen etwas extremer waren. Genies und große Wohltäter, Irrsinnige und Psychopathen sind meist in männlicher Form aufgetreten sind. Manchmal auch in Kombination von positiven und negativen Eigenschaften. Meine wissenschaftlich-navie Begründung, dass Männern wohl das zweite X-Chromosom als statistischer Ausgleich der Eigenschaften fehlt, war wohl doch etwas zu vereinfachend. Aber die Beobachtung selbst doch nicht falsch.
Ob die Ursache nun in der Biologie begründet ist oder gesellschaftlich gemachte Ursachen hat ist eine interessante Diskussion, aber eine andere. Tatsache ist, dass positiv und negativ wahrgenommenen gesellschaftliche "Leistungen" anders bewertet werden - je nach Geschlecht. Wenn Männer positives leisten wird das oft mit Männernetzwerken, dem Patriachat etc. begründet; also eigentlich keine Einzelleistung sondern von allen getragen, gesellschaftlich konstruiert. Und damit änderbar zu mehr Ausgleich in der Gesellschaft. Beispielsweise durch Frauenförderung, gesellschaftlicher Ermutigung von Frauen und Frauenquoten.
Die negativen Fehlleistungen von Männern werden aber entweder als biologisch determinierte Probleme oder persönliche Fehler von Männern wahrgenommen. Dem Problem wird in diesem Fall mit gesellschaftlicher Ausgrenzung (wie oben geschilderte Regelung) und individueller Bestrafung, als Kollateralschaden auch von Unschuldigen (wie sich im Verhalten der Flugbegleiterin im Fall McCluskie zeigt), begegnet.
Ich möchte noch kurz meine vielleicht etwas polemische Überschrift erklären: Ich finde den Einsatz des Wortes "Schändung" in fast allen Anwendungen (Kinderschändung, Frauenschändung, Friedhofsschändung etc.) völlig falsch. Kinder, Frauen und Friedhofe werden nicht geschändet wenn ihnen Gewalt angetan wird. Es darf nicht sein, dass es eine Schande ist, vergewaltigt worden zu sein - die Schande kann nur auf Seiten des Täters sein.
In meinem Text geht es aber tatsächlich um die "Schändung" von Männern; die Passagiere erleben die Schande, als vermeintliche Kinderschänder von den Menschen um sie herum angesehen zu werden. Ich hoffe dass ich das nie erleben muss.
Ein guter Artikel ("Der Mann als Verdächtiger per default", 1.9.2012) zum gleichen FAZ Artikel, der mich zu diesem Kommentar inspiriert hat, ist von Bettina Hammer auf Telepolis zu lesen.