Immobilienentwicklung jenseits jeglicher Moral

Zur Zeit ist das Haus Mühlfeldgasse 12 im zweiten Wiener Gemeindebezirk in den Medien prominent vertreten. Zum Glück. Grund ist das Geschäftsmodell der neuen Eigentümerin der Immobilie, die Castella GmbH. Die Anwendung dieses Geschäftsmodells in Wien ist leider kein Novum: Es wird ein Mietshaus günstig gekauft, weil der Vorbesitzer es mit legalen und moralisch vertretbaren Mitteln nicht geschafft hat, dieses Haus frei von Mietern zu bekommen. Nun wird – sozusagen mit der Brechstange – versucht, die restlichen Mieter aus dem Haus zu vertreiben. Damit steigt die Liegenschaft enorm im Wert, da einer Gesamtrenovierung und dem Abverkauf der Wohnungen nichts mehr im Wege steht.

Einfluss des österreichischen Immobilienrechts

Das MRG (Mietrechtsgesetz) hierzulande gilt als eines der mieterfreundlichsten, aber auch als eines der undurchschaubarsten. Es gibt eine große Menge an Varianten, und Ausnahmen davon: Kategoriemieten, Richtwertmieten, teilweise sogar noch den Friedenskronenzins. Einiges gilt aber für alle Mietverträge: Sobald dieser unbefristet wird, also spätestens nach zehnjähriger Mietdauer, befindet sich der Mieter mehr oder weniger im Besitz der Wohnung. Wenn kein übermäßiges Fehlverhalten vorliegt, ist eine Kündigung des Mietvertrags so gut wie unmöglich. Diese Mietverträge können auch vererbt werden, an Verwandte ersten Grades oder weiter in direkter Linie; dafür müssen die Erben eine gewisse Zeit in der Wohnung gemeldet gewesen sein.
Da die Mieten eines aufrechten Vertrags geschützt sind und nur im gesetzlich vorgegebenen Rahmen erhöht werden können, sind klarerweise die Mieten von sehr lang bestehenden Mietverträgen zum Teil schon weit von derzeitigen Marktwerten entfernt. Besonders die Jahre der 70er und 80er mit sehr hoher Inflation haben diese Schere auseinandergehen lassen.

Schutz der Mieter

Die Intention der Gesetzeslage, der Schutz der Mieter, ist legitim gut. Als Argument für die starke Unkündbarkeit wird oft angegeben, dass sich die Menschen keine Verträge mit derzeitigen Marktmieten leisten können. Aber was heisst das? Es bedeutet, dass wir eine Zweiklassengesellschaft der Mieter haben, die glücklichen mit Altverträgen und die anderen, die aktuelle Marktpreise zahlen müssen. Das ist nicht gerecht.
Dass die Gemeinschaft für leistbare Grundbedürfnisse sorgt, ist notwendig und wichtig. Die Stadt Wien hätte mit ihrem riesigen Bestand an Gemeindewohnungen in geeignetes Instrument zur Verfügung. Dieses gemeinsam mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Regulierung der Mietpreise einzusetzen würde mehr Gerechtigkeit bringen als nur Altmieter zu schützen und die anderen (viele junge Menschen) dem Markt auszusetzen.

Immobilienentwicklung

Eine meiner Meinung nach ungerechte gesetzliche Regelung ist aber keinesfalls eine moralische Legitimation für halbseidene Unternehmer, auszugsunwillige Mieter mit brutalen Mitteln aus dem Haus zu drängen. Wenn Anschuldigungen wie hier der Wahrheit entsprechen, dann ist es völlig unverständlich, warum Polizei und Justiz nicht eingreifen und diese Machenschaften stoppen. Ich hoffe nicht, dass das Kapital hier die Richtung vorgibt.
Solange unser Rechtssystem das Privateigentum als starken Pfeiler hat, sollte sich auch der Bereich der Immobilien gut in dieses Prinzip eingliedern. Aussagen wie

"Denn der größtmögliche Profit lässt sich damit nur machen, wenn alle Wohnungen leer sind."
(aus dem angeführten Blog pizza.noblogs.org)

klingen zwar gut in den Ohren systemkritischer Menschen, entsprechen aber nicht den Tatsachen. Den Tatsachen entspricht, dass sich überhaupt nur mit einem leeren Haus Profit machen lässt, dafür dann aber ein sehr großer. Diese Diskrepanz muss beseitigt werden, dann wird es weniger zu solchen Auswüchsen kommen. Jetzt wird die Liegenschaft Mühlfeldgasse 12 jedenfalls keinen Profit abwerfen sondern dem Eigentümer im Gegenteil Kosten verursachen.

Konsequenzen

Was sollte getan werden, damit sich dieses Geschäftsmodell nicht weiter ausbreitet?

  • Extreme Bestimmungen im MRG entschärfen, z.B. Kündbarkeit von Mietverträgen durch den Vermieter mit sehr langen Kündigungszeiten, fünf oder zehn Jahre.
  • Hartes Durchgreifen bei unlauteren Unternehmen, die durch die erwarteten hohen Gewinnspannen alle moralischen, manchmal sogar legalen, Bedenken über Bord werfen.
  • Verwenden von Staats- und Gemeindebesitz zur Abdeckung der Grundbedürfnisse der Bewohner und nicht zum Füllen von Budgetlöchern.
  • Am besten wäre auch eine Reform der Mietgesetzgebung, und zwar in Form einer starken Vereinfachung anstatt weiteren Aufblähens mit weiteren Sonderregelungen.

Referenzen

 

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