Mais 1507
In den letzten Wochen hat die gentechnisch veränderte Maissorte 1507 der Dupont Pioneer mit Recht einige Aufmerksamkeit erfahren. Oft sind es kritische Beiträge ("Regionale Anbauverbote für genveränderte Maissorte 1507" auf Heise Telepolis) aber wieder öfters auch Gentechnikkritik-kritische ("Mais macht mobil" auf derstandard.at). Dabei geht es um hauptsächlich um zwei auf den ersten Blick unterschiedliche Grundsatzdiskussionen: Gentechnisch manipulierte Lebensmittel und das Demokratiemodell in der Europäischen Union.
Gentechnik ist eine sehr risikoreiche Technik. Sie greift an Stellen ein, die sehr langfristig wirken, und bei denen Ursache und Wirkung zeitlich und örtlich sehr weit auseinanderliegen können: Anbau, Rohstoffhandel, Verarbeitung, Produkthandel, Verbrauch sind global, und die Auswirkungen auf den menschlichen Körper können sich erst über viele Jahre kumuliert zeigen.
Im Fall eines Atomkraftwerks ist der Standort meist relativ gut bekannt, und auch das Eintreten eines Super-GAU kann nur schwer unter den Teppich gekehrt werden. Auch sind die Auswirkungen von Radioaktivität auf den Organismus, beispielsweise auf die Gene, physikalisch ganz gut erforscht und immer gleich, unabhängig vom technologischen Fortschritt der Kernkraft. Aus diesem Grund sind Atomkraftwerke nicht versichert, die relativ gute Nachvollziehbarkeit von Ursache und Schaden würde im Fall eines Unfalls zumindest jeden seriösen Versicherer in den Abgrund ziehen. All das gilt für die Gentechnik nicht. Produziert wird irgendwo auf der Welt, damit gehandelt, den Produkten ist das nicht anzusehen. Die Auswirkungen können irgendwo in den biologisch-chemischen Abläufen im Körper entstehen, irgendwo, viel später.
Falls Gentechnik breit eingesetzt wird, wie soll noch irgendwie der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung hergestellt werden? Wie soll bei auftretenden Krankheiten oder körperlichen Schäden der Verursachen ausgemacht werden, wo das filigrane Zusammenspiel der biologischen Vorgänge im Detail noch bei weitem nicht genug erforscht ist? Schon bei Medikamenten ist heutzutage eine klinische Untersuchung von Wechselwirkung zwischen verschiedenen Präparaten wegen der bestehenden Vielfalt kaum möglich, beziehungsweise sehr teuer. Aber das ist vom Aufwand nicht ansatzweise vergleichbar mit der sich sehr schnell einstellenden Vielfalt von biologisch wirksamen Substanzen, die beim industriellen Einsatz von Gentechnik entstehen werden.
Und noch etwas profaner – wenn es schon mit gutem Willen schwer möglich sein wird, Zusammenhänge zwischen gentechnisch veränderten Lebensmitteln und unerwünschten Nebenwirkungen herzustellen, so ist ein gerichtstauglicher Beweis schon fast unmöglich. Damit ist die Verantwortung von Agrarkonzernen kaum einzufordern; John Grisham kann dazu sicher einen guten Gerichtskrimi liefern.
Kann gut sein, dass die Maissorte 1507 tatsächlich harmlos ist. Der Aufwand zum Test der Nebenwirkungen ist auch sicher sehr hoch gewesen. Aber wenn die Zulassung einmal da ist, wie groß wird der Druck bei den Unternehmen sein, diese Tests auf ein Minimum zu reduzieren? Der Nachweis von Schaden wird wie gesagt schwer zu erbringen sein; die Hoffung auf einen Staat als argwöhnischen, systematischen Kontrolleur von Massen neuer agrartechnischer Produkte in Zeiten der Budgetknappheit naiv.
Ich denke, Gentechnik als solche ist nicht aufzuhalten. Noch keine menschliche Technologie konnte durch Politik aufgehalten werden, zumal der technische Aufwand der Genmanipulation im Vergleich beispielsweise zur Atomtechnik sehr klein ist. Aber wenn wir durch Globalisierung weltweit in Konkurrenz stehen, möchte ich in diesem Fall nicht derjenige sein, der die Folgen dieser Technik als erster zu spüren bekommt. So denkt zur Zeit die Mehrheit der Europäer, und die politischen Führer dieser Union — das Europäische Parlament scheint diese Rolle leider nicht zu spielen — haben das zu akzeptieren, auch wenn ihnen Agrarlobbyisten leider viel näher sind als die europäische Bevölkerung.
Wenn die Amerikaner der Gentechnik positiv gegenüberstehen ist das deren Entscheidung und sie sollen das so machen; einige Unternehmen und deren Eigentümer werden sicher noch wohlhabender werden dadurch, das ist gut. In diesem Fall möchte ich auf dieses spezifische Wachstum verzichten.