Umverteilung und Gerechtigkeit

Es wird ein immer wiederkehrender Effekt kaum bestritten, und natürlich jetzt in Krisenzeiten immer öfter betont: Der Abstand zwischen Reich und Arm steigt. Sowohl im Einkommen, aber vor allem im Vermögen. Das ist keine neues Phänomen unserer Zeit; dass eine wirtschaftlich herrschende Klasse den Großteil des Vermögens einer Gesellschaft für sich beansprucht hat es immer wieder gegeben. Aber die Unendlichkeit der Gier des Menschen kann mit der seiner Dummheit durchaus konkurrieren. So kam es meistens, dass der Bogen überspannt wurde, und diese herrschende Klasse hat dann des öfteren den Volkszorn zu spüren bekommen.

Diesmal ist etwas anders. Wo sich früher Monarchen und Diktatoren das "ihre" mit willkürlicher Gesetzgebung beschafft haben, exekutiert unter Zuhilfenahme von mehr oder weniger privaten Polizeiapparaten und Armeen, so haben wir uns in der jetzigen westlichen Zivilisation doch sehr freiwillig in die Hände finanzgewaltiger Potentaten begeben. Wo die Menschen früher kleine Kaufleute wohlhabend gemacht haben, machen wir jetzt die Eigentümer großer Handelsketten reich. Wo früher unsere Alltags- und Luxusartikel aus einer Vielzahl kleinerer Fabriken stammten, liegen jetzt die Produktionsmittel überwiegend in der Hand großer Konzerne, oft nach Asien ausgelagert. Skaleneffekt und Verbundeffekt sorgen dafür, dass den Großen vieles billiger gelingt, die gute Information der Verbraucher tut ein übriges. Dazu kommt das politische Gewicht großer Unternehmen; wenn an einem Standort 1000 Arbeitsplätze gefährdet sind, rollt auch gern einmal ein Regierungskonvoi an und verspricht Förderung des Großunternehmens. Wenn 100 Kleinunternehmen mit je 10 Arbeitnehmern vor die Hunde gehen, steht das vielleicht in ebensovielen Regionalzeitungen.

Aber gut, unseren derzeitigen technischen und wirtschaftlichen Wohlstand kann man mit einer kleinteiligen Wirtschaftsstruktur schwer erreichen, das viele Zeugs, das wir verkonsumieren, muss man effektiv erzeugen. Alles ist schön freiwillig und demokratisch. Weder muss das Management des Handelsriesen ein schwer bewaffnetes Konsum-Schwadron ausschicken, um uns zum Einkauf in den Blligen Laden zu zerren, noch fühlen wir den kühlen Stahl einer Handfeuerwaffe an unserer Schläfe, wenn wir das 10-Euro-T-Shirt beim Fetzentandler mustern.

Also, wenn die Massen den Reichen das Geld schon freiwillig abliefern, inwieweit ist es gerecht, diesen das durch den Staat wieder abzunehmen? Weil es obszön viel ist? Weil niemand so viel braucht wie die haben? Weil es einfach furchtbar gemein ist? Mag sein, aber die Vergleiche mit den europäischen Feudalherren vergangener Zeiten zieht in einer Demokratie leider nicht so gut. Wir machen mit Konsum, und noch viel mehr mit unseren Schulden, die Vermögenden immer vermögender; und nehmen uns dabei selbst den Handlungsspielraum. Somit ist das Argument des "etwas beitragen" zur Gesellschaft schon etwas schwach (zumindest für versteuertes Arbeitseinkommen, Einkommen aus Investitionen und ähnlichem gehen leider allzu oft am Steuersystem vorbei), die Grenze zur Enteignung ist für viele bereits überschritten.

Vielleicht muss es trotzdem sein, aber dann sollten wir uns nicht scheuen es auch so zu nennen. Unser Wirtschaftssystem macht wenige reich, ganz ohne Gewalt und Druck. Wenn diesen wenigen der Reichtum zu einem großen Teil wieder genommen wird, dann ist das Enteignung. Nicht nur die Gier is a Hund, die Gerechtigkeit ebenso.

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