Verpflichtendes EU-Bio-Logo: Schein oder Sein?

Warnung: Dieser Text (inklusive Überschrift) enthält 22 mal die Zeichenfolge "bio"!

Am Samstag an der Fleischtheke eines Supermarktes fragte eine Frau nach Bio-Hendl-Fleisch. Der junge Fleischverkäufer musste sie an das Regal mit den in Plastik abgepackten Teilen verweisen. Ich war der nächste in der Reihe, und der Fleischer fragte mich, rhetorisch oder nicht, jedenfalls mit etwas Verzweiflung in der Stimme: "Was ist schon Bio?" Danach kamen noch einige Ausführungen, was er wohl schon an Haarsträubendem in Bio-Betrieben gesehen hatte. Kann sein, kann aber auch übertrieben sein.

Aber die Frage "Was ist schon Bio" hat schon alle Bio-Käufer beschäftigt. Kann ich den Bio-Marken der großen Ketten trauen? Sind die Bauern bei Bio-Bauern-Märkten wirklich Bio, oder wenigstens die dort angebotenen Biolebensmittel? Die meisten von uns hoffen, wenigstens einen Trend mitzugestalten, dass es "besser" wird: Bessere Qualität, für unsereins nachhaltige Zusammensetzung (nicht alles was einen nicht umbringt ist unschädlich), tierwürdiges Leben für die tatsächlichen Fleischlieferanten.

Die EU hat schon vor zwei Jahren eine Normierung des Begriffs festgelegt, das zugehörige Logo ist nun seit Anfang Juli verpflichtend. Zur Zeit parallel zu bestehenden nationalen oder anderen Logos, aber dies hat die EU ursprünglich nicht so geplant.


Die EU hat nicht unbedingt den besten Ruf wenn es um effiziente Regelwerke geht, ich bin auch skeptisch — der kleinste gemeinsame Bio-Nenner könnte zu einer dünnen Bio-Suppe werden. Spanische Agrarunternehmen und dänische Konsumenten haben möglicherweise sehr unterschiedliche Auffassungen von biologischer Landwirtschaft. Ob da bürokratische Schwarzweißmalerei - etwas ist Bio oder eben nicht - viel Mehrwert bringt, schau ma mal. Weiters bin ich mir so gar nicht sicher, ob es mir wichtig ist, ob Paprika aus Spanien bio sind. Bei Lebensmitteln sind Regionalität und Saisonware gewichtige Faktoren, da hat Essbares das 2000 Kilometer weit weg gewachsen ist einen gehörigen Startnachteil.

Was mich auch etwas betrübt stimmt: Die EU stellt sich als eine Politikmarketinggesellschaft vor: Ich möchte mich darüber informieren, was das EU-Bio-Logo nun tatsächlich bedeutet und sehe mir die Informationsseite im Internet an. Dort finde ich jede Menge an Information, sicher vollständig und korrekt. Aber wer liest sich schon so viel Text durch? Eine Seite mit den Kernpunkten, was es denn bedeutet, wenn eine Packung das EU-Bio-Label trägt, das finde ich nicht. Bei den Broschüren findet sich als erstes "Ein Leitfaden für Interessenvertreter, Landwirte, verarbeitende Betriebe sowie Groß- und Einzelhändler".
Auch in der deutschsprachigen journalistischen Sekundärliteratur (online) fand ich nicht viel Hilfreiches. Hauptsächlich die Basisinformation, dass das Bio-Logo nun verpflichtend ist, dass andere Logos noch daneben gedruckt werden dürfen, und dass 95% der Rohstoffe aus biologischer Landwirtschaft stammen müssen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Voraussetzung für "biologische Landwirtschaft" habe ich nicht gefunden. Möglicherweise bin ich aber nur zu ungeduldig beim Suchen. Für Hinweise bin ich dankbar.

Ich finde die Initiative der EU, ein Bio-Siegel einzuführen, gut und wichtig. Damit wird eine gewisse Basis im vorhandenen gemeinsamen Markt geschaffen. Aber es ist für mich wichtig, dass es nebenbei andere Logos geben darf, die vielleicht regionaler Natur sind, die vielleicht höhere Standards setzen. Es ist dann doch wieder ein Markt der Gütesiegel, die miteinander konkurrieren müssen, und es bleibt uns überlassen, wem wir wie weit trauen. Die EU hat diesbezüglich in manchen Details einen Vertrauensvorschuss, in manch anderen aber garantiert nicht.

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