"Warum Bio uns böse machen kann" - wzh?

Dieser Artikel in der Presse vom 22. März hat mich tatsächlich verblüfft, und das nicht im positiven. Erwartet hätte ich bei diesem Titel einen Artikel über das Sendungsbewusstsein manch stark ökoligisch orientiertem Mitbürger. Aber nein, Thema sind Studien, die tatsächlich nachweisen wollen, dass Menschen die biologische Lebensmittel einkaufen, dieses "Karma" mit "schlechten" Handlungen in anderen Bereichen wettmachen, wenn nicht gar völlig in die andere Richtung übersteuern.

In einer zitierten Studie der Universität Toronto von 2009 (Zusammenfassung in Englisch) wurde ein Spiel durchgeführt, das Altriusmus im Wirtschaftsleben testet. Die Probanden wurden in jeweils eine Gruppe "die biologisch wertvolle Produkte kaufte" eingeteilt, und eine Gegenprobe, die das nicht tat. Und so wurde "nachgewiesen, dass Menschen eher geneigt sind, asozial zu handeln, zu betrügen und zu stehlen, nachdem sie grüne Produkte gekauft haben." Geht es noch tendenziöser?

Wer Bioprodukte kaufte, schummelte während des Spiels öfter und bediente sich auch danach am Kuvert ungenierter als die Käufer konventioneller Ware. „Käufer von grünen Produkten scheinen zu eigennützigem und unethischem Verhalten verleitet zu sein“, folgerten die Autoren.

Die Studie selbst ist nicht kostenfrei zugänglich, Informationen über die Größe und Zusammensetzung der Testgruppen sind aber unbedingt nötig. Weil, eines ist sicher – es gibt verschiedenste Motivationen, biologische Lebensmittel zu kaufen; und nicht die unwichtigste in der Liste ist sich selbst etwas Gutes zu tun. Die Wahrscheinlichkeit, kumuliert weniger Schadstoffe zu konsumieren ist einfach höher, bei aller eingebildeten und tatsächlichen Geschäftemacherei und auch Betrug mit Biolebensmitteln. Diese Motivation ist mit Sicherheit nicht altruistisch, und nachvollziehbar bei Leuten mit höheren Einkommen (Toronto ist eine Stadt mit hoher Kaufkraft). Wenn Geld nicht allzuviel Rolle beim Einkaufen spielt, dann nimmt man das Höherwertige mit.

Die Presse zieht aber sehr eigentümliche Schlüsse:

Das erklärt eine Reihe an Widersprüchen, die im grünen Hype sichtbar werden. Auf einmal ergibt es Sinn, wenn Öko-Dampfplauderer wie Prince Charles mit dem Privatjet zu Klimakonferenzen reisen. Auch die Schlange an SUVs vor dem Bioladen erklärt sich schlagartig.

Mag sein, dass Prinz Charles ein Dampfplauderer ist, ich kenne ihn nicht. Aber er fliegt mit seinem Jet, weil er einen hat. Ob er zur Weltklimakonferenz jettet, oder auf einen Manhatten in die Karibik macht dann keinen Unterschied. Ähnlich ist es mit "Schlange an SUVs". Diese Aussage ist mit ziemlicher Sicherheit nicht von einer Studie untermauert sondern ein Hirngespinst des Autors.  SUVs sieht man heutzutage vor jedem Supermarkt, beim billigsten Diskonter wie eben auch vor Bioläden. Den einzigen Bioladen den ich von innen kenne besuchen übrigens hauptsächlich zufußgehende Einkäufer.

Wenn die Erwartungshaltung ist, dass Käufer von biologischen Lebensmitteln die besseren Menschen sind, dann ist diese Hoffnung möglicherweise vergeblich. Daraus gleich das Gegenteil zu schließen ist eine unwissenschaftliche Frechheit.


wzh: "Was zur Hölle...?" mein persönlich "dafuq"-Ersatz.

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