Zum Begriff der "Schändung"
Zur Zeit liest man aus aktuellem Anlass des Zwischenfalls in Afghanistan wieder vom Begriff der "Schändung", im konkreten Fall von "Leichenschändung". Oft zu hören und zu lesen sind auch die Wörter "Kinderschändung", "Frauenschändung" oder "Friedhofsschändung" und davon abgeleitete Begriffe.
Am liebsten würde ich diese Begriffe aus dem Wortschatz verbannen. Sie bezeichnen ein mehr oder weniger schweres Verbrechen mit sehr klar bezeichneten Opfern. Nun sagt eine "Schändung" aus, dass das Opfer, das Objekt der Schändung, etwas wie "Schande" erfahren muss. Schande ist etwas, was die Gesellschaft einzelnen oder einer Gruppe zufügt; es ist etwas ähnliches, wenn auch nicht identisch, mit dem Absprechen von Ehre.
Meiner Meinung kann man sich aber Schande (genau wie Ehre) nur selbst zufügen, als Subjekt und Objekt einer Handlung. Ich halte es für schädlich, wenn die Gesellschaft es zulässt (direkt oder auch nur indirekt mit einem Begriff wie "Schändung"), dass ein Mitglied der Gesellschaft einem anderen Schande zufügen kann. Das Opfer einer schädlichen Handlung sollte keine gesellschaftliche Ächtung erfahren müssen, nicht einmal implizit durch einen Begriff; deshalb erhöht die Verwendung des Wortes "Schändung" noch das Leid.