Postcrossing: Zen und die Kunst eine Ansichtskarte zu schreiben
Meine Biographie reicht in eine Zeit zurück, in der die Digitaltechnik zwar im Geschäftsleben bereits eine tragende Rolle spielte,
im Privatleben aber noch das haptisch-analoge den Alltag bestimmte.
Kommunikation war auf der schnellen Schiene das Telephon – immerhin war dessen Netz schon flächendeckend;
oder in der gemächlichen Version: Schrift auf Papier.
So haben wir in der Schule bis rauf zur Universitätsreife noch ganz laptopfrei Schreibschrift in Hefte und auf weiße A4 Blätter gemalt.
Der Fernseher brachte schon Bilder aus der ganzen Welt ins Haus,
somit war Fernweh angesagt.
Reisen mit dem Flieger war anno dazumal als Teenager noch keine Option.
Mit 12 kam irgendwie über die Schule ein interessantes Angebot: Brieffreundschaft.
Das ging nicht flott, gar so fit war ich in Englisch nicht, ich schrieb einen Entwurf auf einem Blatt A4 Schreibmaschinenpapier
(Kopierer war damals Technik aus der Raketenwissenschaft),
danach Reinschrift auf dem (teureren) Briefpapier.
Einen Brief aus Australien, Portugal oder Finnland zu öffnen, das war eine Nachmittagsbeschäftigung.
Mehrseitige Briefe — wer kann sich dazu heute noch überwinden?
Fotos zum Angreifen und Herumreichen.
Digitale Informationsverarbeitung, das Internet, änderte hier klarerweise: Alles.
eMail war der erste große Schritt.
Zur Vereinfachung von massenweiser Kommunikation.
Zur Auflösung von schriftlichen Formalien.
Zur Entnötigung umständlicher und langer Formulierungen und Erklärungen.
Was im Geschäftsleben Effizienzsteigerung bedeutet, nimmt im Privaten kulturellen Reichtum.
Die Möglichkeiten zur Kommunikation rund um den Globus waren inzwischen omnipräsent.
Mit dem sogenannten „Web 2.0“ kamen zuerst öffentlich Foren zur Diskussion spezifischer Themen,
und dann: „Social Media“
Diese Mischung aus vorerst nur kurzen Texten, sowohl an ein ungenanntes Publikum, als auch in der Kommunikation von Mensch zu Mensch erschloss davor ungeahnte Möglichkeiten.
Es war aber auch ein Wechsel von Klasse zu Masse.
Hunderte Textnachrichten jeden Tag zu registrieren, ist bereits unmöglich.
Dazu kam der Trend zu Bildern, und mittlerweile Videos, zur Übertragung von „Messages“
Immer mehr, immer kürzer, immer flacher.
Diesem andauernden und immer breiter werdenden Strom des Informationsfutters kann der Geist nicht genug Widerstand bieten und es droht,
dass die interessanten Spitzen in der Beliebigkeit untergehen.
Mentale Verfettung durch Junkinformation.
Entschleunigung bringt Erleichterung.
Haptik bringt mehr Konzentration.
Einen wirklich substantiellen Briefwechsel zustandezubringen, das ist ein hehres Ziel,
aber zumindest für das sozialmediale Gezwitscher gibt es eine schöne Sache:

Dies ist ein Service – ein Internetservice – für den Austausch guter alter Postkarten,
mit noch besseren neuen Briefmarken.
Nach Anmeldung kann man erstmal fünf Adressen aus derzeit 210 Ländern beziehen,
einen schönen, knackigen Text, Briefmarke drauf. Ab die Post!
Für jede Adresse bekommt man auch einen Identifikationscode, den der Empfänger dann registriert;
damit ist die Karte offiziell angekommen, und es gibt eine neue Adresse für den Absender.
Für Details see: https://www.postcrossing.com/about
Quellen und Inspiration: