Rien ne va plus, Legacy Software
Legacy Software — das Vermächtnis aus den Quellen unserer Ahnen.
Ein netter Gedanke, aber meistens wird “Legacy” in diesem Kontext mit „Altlast“ übersetzt. Da die Durchdringung fast aller größeren Unternehmen mit Informationstechnologie seit Jahrzehnten Realität ist, ist die Ablöse von „Altsoftware“ inzwischen eine der größeren Herausforderungen.
Der Business Case ist so gut wie immer hauchdünn.
Es ist keine geliebte Aufgabe.
Es gibt kein sehnsüchtiges Warten des Fachbereichs auf die neuen Business Capabilities und erhöhtem EBIT.
Es gibt kein Schulterklopfen und kein opulentes Buffet nach der Inbetriebnahme.
Es gibt keine Preise für herausragende Innovationen, egal wieviel Technik in der neuen Software steck.
Eine 25 Jahre alte Anwendung, die auf einem damals hochmodernen Technologie-Stack basiert, durch eine neue zu ersetzen, die mehr oder weniger dieselbe Funktionalität bietet.
WIE SCHWER KANN DAS SEIN?
So die Erwartung von so gut wie allen.
Vom Fachbereich, der den Spaß bezahlen muss.
Vom Management, das dem Vorhaben wenig Aufmerksamkeit schenkt.
Von der Mama, die gerade auf Windows 11 upgegradet hat.
Also jetzt wirklich, das kann nicht viel kosten, wenn die Vorlage ohnehin vor der Nase liegt. Es ja nur das funktionieren, was jetzt auch schon funktioniert1.
Was ist nun zu tun?
Als erstes benötigt es natürlich eine akkurate Analyse der aktuellen Software.
Wie funktioniert die Applikation im Betrieb, Dokumentation wälzen – wenn vorhanden, Quellen konsultieren.
Das “Minimum Viable Product” ist der exakte Funktionsumfang der Altsoftware.
Kompromisslos.
Danach wird das Ding nachgebaut.
Exakt.
Mit Akribie.
Danach werden die Daten migriert2 und die neue Software im Produktivsystem eingesetzt.
Hurrah.
Es ist geschafft.
Der Apfelsaft ist kaltgestellt.
Und dann …
… fehlt diese eine Validierung, die im front-end JavaScript Code vergraben war, und nun sind Fehleingaben möglich.
Die Rollback-Maschinerie ist am Laufen, die Schultern im Projektteam sind am Fallen.
Aber es muss weitergehen.
Bis endlich alles passt.
Die Ablöse von Legacy Software ist die Königsklasse des Projektmanagements.
Nix für Anfänger.
Es sind schwierige Ausgangsbedingungen, wenig Motivation der Organisation, Unverständnis der Aufwände für diese „Hygienemaßnahmen“. Die Anforderungen sind dabei die schwierigst vorstellbaren, weil die neue Software sich an der Realität der alten Software messen lassen muss, wie auch immer die Anforderungen dort zustandegekommen waren – und unabhängig davon, was sie damals kosteten.
Ein Hoch auf die unbesungenen Helden der Softwareablöseprojekte. 🎉
Tatsächlich wurde der Einsatz einer von meinem Team entwickelten Software um ein halbes Jahr (!) verschoben, weil die Software eine neue Graphik-Bibliothek erforderte, die in einer anderen Applikation das Grau des Hintergrunds etwas aufhellte. ↩︎
Oftmals in der Herausforderung eines ganz eigenen Projekts, das reihenweise Haare ergrauen lässt … ↩︎