Gelesen: Stilicho, von Ernst Nischer-Falkenhof. Und Stilichos Ende

Die Asterix Hefte genossen zur Zeit meiner Kindheit (die guten alten 1970er) einen guten Ruf hinsichtlich historischer Details. Der erzählten Geschichte geschuldet kann jedoch der Ausschnitt aus der römischen Geschichte nur ein kleiner sein, somit war mein Wissen beschränkt auf die Zeit Cäsars. Das römische Reich nahm ich extrapoliert als eine Abfolge von Imperatoren wahr, begonnen vermutlich viel früher mit Cäsars Ururururopa oder so und es endete vermutlich viel später mit einem Ururururururenkel vom guten Gaius Iulius. Als Österreicher hab ich natürlich Erbfolgen auch schon mit der Muttermilch aufgesogen.
Auch die staatsphilosophischen Fronten waren klar – auf der einen Seite die zivilisatorisch überlegenen Technokraten, auf der anderen Seite die sympathisch-schrulligen Menschgebliebenen, Hobbes gegen Leopold Kohr oder so ähnlich. Irgendwann endete das Römische Reich, weil die Schrulligen einfach zu viele waren; den Begriff der Völkerwanderung kannte ich bereits, irgendwas in der Nähe von China passierte, also jedenfalls der Leviathan musste abdanken.

Im Gymnasium kam dann Geschichtsunterricht, und auch dank eines guten Lehrers erwachte das Interesse. Der Stoff über das römische Reich war Zunder, meine naive Vorstellung Geschichte. Ein wesentlicher Beitrag dazu waren vier Hefte der Reihe "Geschichte mit Pfiff1", deren Bestellung mein Lehrer organisierte. Ich kaufte vier Ausgaben zum Thema „Römer” und staunte nicht schlecht, was da alles ein paar Jahrhunderte vor und nach Christi vor und nach sich ging. Da waren Könige, dann Demokratie, dann Cäsar, dann noch viel Cäsaren, dann zwei römische Reiche – von denen eines tatsächlich fast das gesamte Mittelalter überdauerte.

Geschichte mit Pfiff: Sturm gegen Rom, Stilicho

Am beeindruckendsten war das Heft „Sturm gegen Rom”, das die Zeit des Niedergangs des weströmischen Reiches beschreibt. Es war nicht wie geglaubt nur der Druck äußerer Feinde, die mit Heerscharen über die Römer herfielen. Rom hat sich über die Zeit selbst zersetzt; es waren nicht die Kämpfe der Edlen gegen die Wilden, in der erstere schließlich unterlagen. Das römische Reich war bereits vielfach verschmolzen mit den Völkern rundherum, wobei die Disziplin im Heer noch eher von den angeworbenen Söldnern und Föderierten getragen wurde als vom römischen Kernvolk.

Gemessen am Glanz des Imperium Romanum war diese Zeit eine Massenkarambolage auf der Autobahn. Es ist fast unmöglich, seinen Blick abzuwenden von all dem Irrsinn, Wahnsinn, Zerstörung, Chaos. Das Lesen im Zeitraffer erzeugt Schwindel, so schnell wie Stämme und Völker durch Europa ziehen, Bündnisse geschlossen, Scharmützel und Schlachten geschlagen, Führer verraten, Geiseln genommen, Standpunkte gedreht, mit Feinden paktiert wird und dann alles wieder von vorne.

Stilichos Ende

Ich erinnerte mich noch gut an der Artikel „Stilichos Ende” und die dazügehörende Illusatration. Ein langgedienter und erfolgreicher Feldherr, umstritten zu seiner Zeit und wohl bis jetzt, Halbgermane, wird von römischen Soldaten erdolcht. Ein einprägsames Bild und so hab ich mir den Namen gemerkt.
Mein Großvater hat sich sein ganzes Leben für Geschichte interessiert, ein paar Bücher aus seinem Bestand habe ich bekommen. Eines davon stand sehr lang von mir ungelesen im Regal: Stilicho.

Das Buch ist 1947 erschienen, eine Biographie des großen Feldherrn, der Autor verbirgt seine Beweunderung nicht. Über Stilichos frühes Leben ist wenig bekannt, das Buch beschreibt hauptsächlich und eindrücklich die Zeit seines Aufstiegs unter Theodosius und die Jahre als magister militum, 395 bis zum Tode Stilichos 408. Stilicho war Feldherr von Westrom, de facto hatte er die politische Führung der Reichshälfte inne. Eine militärische Mangelpolitik in Zeiten politischer Stagnation. Und das nur wenn Stiliocho seine Aufgabe gut meisterte. An allen Grenzen brodelte es, Verbündete verraten, die andere Reichshälfte intrigiert. Für alles zusammen zuwenig Truppen, eine militärische Mangelwirtschaft. Trotzdem hielt er sich mehr als zwei Jahrzehnte, und sogar von seinen zahlreichen Feinden wurde ihm Integrität attestiert.

STILICHO
von Ernst Nischer-Falkenhof
Verlag L.W. Seidel & Sohn in Wien
1947

  1. Den Verlag und das Journal zum Thema Geschichte gibt es immer noch, ich hoffe ich finde auch hierzulande ein Geschäft, das diese Hefte anbietet: G – Geschichte ↩︎

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