Zensur findet statt
Kann es Zensur in der Demokratie geben?
Kein anderer Machtmechanismus ist ein ähnlich guter Indiaktor für absolute Herrschaftssysteme wie die angewandte Zensur. Denn der
direkte oder indirekte Zugriff auf die Medien lässt sich kaum verheimlichen, wenn die Diskrepanz zwischen Realität und Medienrealität
zu lange währt oder zu groß wird.
Dabei spielt es nur wenig Rolle, ob die Zensur direkt und durch -- vielleicht sogar militärische -- Gewalt durchgesetzt wird, wie es in
Diktaturen üblich ist, oder subtiler, durch "Netzwerke", direkte Subventionen oder Inserate, wie es moderne, mediengesteuerte
Demokratien machen.
Zensur hat eine lange Tradition. In Österreich ist Metternich das Rollenmodell für Zensur. Dabei war es nicht nur das Streichen von Informationen aus Zeitungen, sondern auch ein Netzwerk an Spitzeln, Informanten, Abhängigen.
Kein Lichtstrahl, er komme, woher er wolle, soll in Hinkunft unbeachtet und unerkannt in der Monarchie bleiben, oder seiner möglichen nützlichen Wirksamkeit entzogen werden.^1
Metternich war Kanzler, somit ist Zensur eine Sache die nur Staaten betrifft, meint man. Der Grund ist, dass nur ein Staat die Macht ausüben kann, alle Medien, die seine Bevölkerung anleiten, zu kontrollieren. Wenn ein Medium dem entkommt und einseitig berichtet, anderes weglässt, nichts anderes ist Zensur, dann ist dies das Recht dieses Mediums. Es gibt kein, und darf es nicht geben, gesetzliches Objektivitätsgebot für (private) Medien.
Nicht der Staat ist Bedingung für Zensur, sondern die rohe Macht
Somit war immer klar, Zensur ist ein Staatsding. Weil der absolute Staat die absolute Macht innehat.
Zensur ist ein Machtding; das Machtgefüge hat sich allerdings verschoben: Vom absoluten Staat zum aufgeklärten, zum demokratischen und
sozialen. Während die wirtschaftlich starken Staaten großteils stabil blieben, wuchs deren Wirtschaft immer weiter. Freihandel und Abbau
anderer regulatorische Hemmnisse ließ Unternehmen zuerst auf nationaler Ebene und dann auch auf internationaler Ebene zu Konzernen heranwachsen. Auch
der technische Fortschritt und die Verschiebung des Gleichgewichts zu ungunsten menschlicher Arbeit haben dazu beigetragen; auch für die Medien ist
die Senkung der Stückkosten wesentlicher Treiber des scheinbar unumgänglichen Wachstums. Die wirtschlichen und politischen Konzerne
haben mittlerweile die Finanzkraft von Staaten -- und damit auch so viel Macht. Gleichzeitig haben sich Staaten vor allem wirtschaftspolitisch
vernetzt, beispielsweise in der EU; das hat den Einfluss der hierarchischen strukturierten Konzerne, oder deren Eigentümer, auf die immer
starreren, weil demokratisch in dieser Größe nicht mehr kontrollierbaren, Kommunen stark erhöht. Zentrale Regeln machen Lobbyismus einfacher.
Anstatt in 20 Hauptstädten mit Gesetzgebern und Regulatoren sprechen zu müssen, reicht dafür nun Brüssel. Die politischen Strukturen sorgen dafür,
dass sich das Programm gleichmäßig nach unten propagiert: Der moderne triple-down Effekt, der nun ein Weltbild anstatt Wohlstand transportiert.
Damit ist für ein homogens Meinungsbild gesorgt. Zensur passiert hier vorwiegend als Selbstzensur, um nicht als Außenseiter gebrandmarkt
zu werden.
Zensur in Big Tech
Wenn die Medien selbst zentralisiert sind -- wie im Fall der social media techs, dann lässt sich der Einfluss auch direkter bewerkstelligen. Zu sehen ist das bei den aktuellen Enthüllungen des neuen Twitter-Eigentümers Elon Musk, der interne Kommunikation^2 mit dem Wahlkampfteam des US Präsidentschaftskandidaten Joe Biden veröffentlich hat. Laut diesen Protokollen wurden auf Anforderung in der heißen Wahlkampfphase Kommentare aus Twitter gelöscht, zum Beispiel solche, die den Laptop von Bidens Sohn Hunter^3 zum Thema hatten. Hier nicht von Zensur zu reden, weil das ausführende Medium nicht mit Gesetztesgewalt unter Zwang stand, ist vielleicht historisch begründbar, aber dem Tatbestand nicht angemessen. Wenn Regierungen und Wirtschaftsunternehmen zusammenarbeiten, um die Bevölkerung ihre Sicht der Realität aufzuzwingen, dann kommt man nicht mehr herum, diesen scharfen Begriff zu verwenden. Es ist auch völlig unklar, wer hier wen steuert -- die Wirtschaftsmacht im Hintergrund die Politiker in den vorderen Reihen, oder sind es mächtige Politiker, die sich Zutritt zur Steuerung von Medienunternehmen verschaffen? Es spielt wortwörtlich keine Rolle.
Elon Musk ist selbst ein reicher und mächtiger Protagonist, zumindest in der Öffentlichkeit stellt er sich aber als Nonkonformist dar, und mit seinem
Erwerb von Twitter hat er einen Hebel, bestehende Netzwerke sichtbar zu machen, das heisst, den Leitmedien die Leugnung unmöglich zu machen, und jene
damit durchzuwirbeln. Es bleibt spannend, ob das tatsächlich seine Agenda ist; und wenn ja, ober damit durchkommt.
Mit Stand heute (2022-12-04) ist das erst der Anfang der Veröffentlichung solcher Dokumente, Musk hat noch mehr angekündigt:
Zensur ist das Mittel zur willentlich gesteuerten Herstellung eines Weiltbildes durch eine absolute Medienmehrheit
Zensur ist, wenn mit Macht die überwiegende Masse der Leitmedien dazu gebracht wird, durch einseitige Berichterstattung, also durch zensurieren von Tatsachen und ungewollten Interpretationen, ein falsches Bild der Realität zu erzeugen. Das kann unverhohlen passieren (wie bei Metternich) oder so, dass die Bevölkerung einer Demokratie es nicht merkt, oder sich zumindest nicht dafür interessiert. Denn Zensur ist es trotzdem, auch wenn
- hin und wieder punktuell wahrheitsgetreu berichtet wird -- für das Leiten der Bevölkerung zählt nur die Summe der Schlagzeilen
- kein direkter Druck ausgeübt wird -- in unserer Gesellschaft reicht schon die verdeckte Drohung von Ausgrenzung und materiellen Verlusten an die Medien
- die Macht nicht direkt ausgeübt wird -- Think Tanks, Lobbygruppen und ihre Regierungen können die Medien nicht direkt kontrollieren, Selbstzensur ist die Lösung.
Eh Uh
Gerade die EU ist aber ohnehin dabei, die aktuelle Ausprägung der Zensur wieder mit der klassischen in Überdeckung zu bringen. Nachdem unter der Oberfläche
während der Pandemie™ bereits via Stiftungen, Faktencheckern™ und ÖffentlichRechtlichemRundfunk daran gearbeitet wurde, nur nicht zu viel Abweichung von der offiziellen
Geschichte zuzulassen, sind bei der Ukrainegeschichte die Dämme gebrochen, und es wurde bereits die falsche Seite der Propaganda verboten (die offizielle russische Seite), und damit
die Bevölkerung der Einseitigkeit preisgegeben.
Verschleiernde Bezeichnungen wie "Digital Services Act" können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU gewillt ist, Zensur auszuüben, wenn sich wichtige Medien nicht selbst beugen.
Im Sommer 2023 bereitet sich Twitter auf die Einhaltung des DSA vor, hier ein screenshot aus Frankreich:
Gerade deutsche Politiker sind hier ganz vorne bei diesen Maßnahmen dabei. Österreich sieht wie üblich wohlwollend zu. Und leider gibt es kaum Widerstand aus anderen Ländern. Im Gegenteil, Europas Länder tragen diese bedenkliche Entwicklung mit Schwung mit…
Ergänzung 2023-08-19
Die Verschämtheit schwindet
Bisher zeigte sich der Zugriff der Regierungen, Deutschland wie gesagt voran, indirekt an Eingriffen in die großen Kommunikationsportale. Dabei bedienten sie sich Stiftungen, joint-ventures oder ähnlicher Konstruktionen, um die Zensur nicht allzu offensichtlich werden zu lassen. Als in den Kabinetten noch "falsche" Minister saßen zeitigten auch die Leitmedien noch eine gewisse kritische Distanz zu den Vorgängen rund um Meldeportale, Faktencheckern und Saubermannstiftungen (Zensur in sozialen Medien: Streit um die CDU und die "Neue Rechte", SZ 2016). Inzwischen ist die SZ ja ganz auf Welle, was sauberes Internet betrifft (Zensur, SZ Lexikon 2013)
Auch gab es immer Bemühungen, dem Löschen unliebsamer Meinungen und Informationen ein Mäntelchen wie Hasskommentare™, Verhetzung™ u.s.w. umzuhängen; also zumindest wurde vversucht, den Schein zu waren, dass es um den Schutz von Menschen geht.
Mittlerweile erfolgt der Zugriff immer direkter, und die Begründungen werden immer lächerlicher. Weiters geraten auch zunehmend kleinere alternative Medien ins Visier, sobald diese eine gewisse Reichweite erfahren. Ein dreister Fall zu lesen im Blog von Andreas Müller, ein Artikel ebenfalls mit dem Namen "Zensur findet statt".
X-Looping
Das Mitspielen der großen Plattformen scheint gesichert, auch wenn es wie bei X/Twitter eine emotionale Achterbahnfahrt gibt, was Zensur und Transparenz betrifft. Trotz des immer wieder Versprechens von Musk, sich zwar an nationale Gesetze zu halten, aber sonst nicht weiterreichend in den Meinungsmarkt einzugreifen, und darüber hinaus volle Transparenz zu gewährleisten, dürfte mit der Nominierung von CEO Linda Yaccarino klar sein, dass die Reise weiter richtung Restriktion geht.
“But more importantly, if you’re going to post something that is lawful, but it’s awful, you get labeled,” she said. “You get labeled, you get de-amplified, which means it cannot be shared. And it is certainly demonetized.”2
"Freedom of speech, not reach" heisst die Zensurmarke bei Twitter jetzt, ungewollte Informationen sind "awful". Im Klartext -- wenn Inhalte als störend für Twitter empfunden werden, wird es schwierig, diese Inhalte auf Twitter zu sehen. Man kommentiert in den leeren Raum.